Reaktivierungs-Projekte in Deutschland: Besuch der Unteren Edertalbahn

Reaktivierungs-Projekte in Deutschland: Ein Besuch bei der Unteren Edertalbahn und  Nationalpark Kellerwald-Edersee

Der Blick über den Tellerrand hinaus ist bekanntlich wichtig, weshalb auch die Ilztalbahner immer wieder Kontakte zu verschiedenen Initiativen in Deutschland und Europa pflegen. Besonders interessant sind dabei erfolgreiche Bahn-Reaktivierungen, wie beispielsweise die Untere Edertalbahn zwischen Korbach und Frankenberg. Unser langjähriger Ilztalbahner Christoph Fleissner hat sich im Oktober 2017 auf den Weg nach Nordhessen gemacht, um sich die reaktivierte Regionalbahnstrecke mal genauer anzusehen.

Blick über Kirchlotheim

Blick über Kirchlotheim: Im Hintergrund die Kurhessenbahn der Linie RB42 nach Marburg

 

Video: Die neue Bahnverbindung Korbach – Frankenberg [YouTube]

 

Mit der Bahn in den Nationalpark Kellerwald-Edersee“

Ein sonniger Samstag Morgen im Bahnhof Marburg: In wenigen Minuten startet die „Kurhessenbahn“ auf ihre Reise in die nordhessische Provinz. Eine Mischung aus Eisenbahnromantik, Beschaulichkeit und modernem Nahverkehr. Schnell noch ein Intercity nach Kassel – danach der Regionalexpress nach Frankfurt am Main. Dann geht es los, der modernisierte „Kult-Triebwagen“ der Baureihe 628 setzt sich in Bewegung. Die ersten Kilometer geht es noch auf der „Main-Weser Bahn Kassel – Frankfurt“ bis nach Cölbe, danach zweigt die Strecke in Richtung Nordwesten ab. Kurz darauf teilt sich die Strecke nochmals auf: Ein Gleis führt nach Nordrheinwestfalen über Bad Lasphe nach Erntebrück, das Zweite nach Norden in Richtung Korbach. Nach 45 Minuten ist die beschauliche Stadt Frankenberg erreicht.

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Bahnstrecke im Edertal bei Ederbringhausen

Dazwischen bestimmen kleine Dörfer, Felder und Wälder die Landschaft. Dann ist es so weit: der Zug fährt auf die „neue“ Edertalbahn. Aus der sanften Hügellandschaft wird ein romantisches Flusstal, das immer wieder an die über 500 Kilometer entferne Ilztalbahn erinnert. Regelmäßig hält der Triebwagen an, um ein paar Wanderer an einem der kleinen Haltepunkte zu entlassen und eine Hand voll neuer Fahrgäste aufzunehmen. In Vöhl-Herzhausen lohnt es sich, die Fahrt zu unterbrechen. Während die Kurhessenbahn die letzten Kilometer nach Korbach rollt, erreicht man in wenigen Minuten Fußmarsch das Nationalparkzentrum Kellerwald – Edersee, dem Tor zu einem der schönsten und ältesten Buchenwälder Europas. Seit der Gründung des Nationalparks im Jahre 2004 wird ein über 57 Quadratkilometer großes Waldgebiet der Natur überlassen. Darin erstreckt sich ein Paradies für Wanderer, Radfahrer und Naturfreunde. Zahlreiche Ausflugsmöglichkeiten laden zu einem tollen Ausflug in die Natur ein.

 

 

Weitere Informationen zur Bahnverbindung: RB42: Marburg – Frankenberg – Korbach – Brilon

 

„Moderne Eisenbahn – auch auf dem Land!“

Nach einer entspannten Wanderung durch den Nationalpark geht es wieder zurück zur Erdertalbahn, beispielsweise zum Haltepunkt in Schmittlotheim. Auch hier wurde ein neuer Bahnsteig gebaut. Doch am Bahnsteig halten nicht nur Züge: Während an der einen Bahnsteigkante die Edertalbahn hält, wird die gegenüberliegende Kante von den Regionalbussen genutzt. Ein Umsteigebahnhof im Kleinformat! Aber auch die neu angelegten Park & Ride Parkplätze locken zum Umsteigen auf die Bahn. Digitale Anzeiger auf dem Bahnsteig übertragen die aktuellen Informationen, wann der nächste Zug in welche Richtung fährt. „Stadtbahn-Feeling“ in einem Dorf mit knapp 300 Einwohnern!

Schmittlotheim: Moderner Umsteige-Bahnhof im Kleinformat

Schmittlotheim: Moderner Umsteige-Bahnhof im Kleinformat

Nach wenigen Minuten Wartezeit rollt dann auch schon wieder der Zug in Richtung Marburg ein. In der Abendsonne geht es wieder Richtung Süden. Doch nicht nur Wanderer und Naturfreunde nutzen die neue Bahnverbindung. Auch Wochenend-Pendler, Senioren, Schüler und Familien nutzen das Angebot. In den Gepäckablagen zeugen Tüten und Koffer vom Samstagseinkauf oder einer längeren Bahnreise…

 

„Die neue Bahn im Edertal – eine Erfolgsgeschichte“

Alle zwei Stunden verkehrt ein Zug pro Richtung zwischen Korbach und Frankenberg. Die Züge werden meist nach Süden über Frankenberg hinaus bis nach Marburg, im Norden über Korbach hinaus bis nach Bestwig durchgebunden. Dazwischen viele Dörfer, Wiesen und Wälder. Okay, vielleicht etwas weniger Wald als im Bayerischen Wald, dennoch könnte man die Regionen gut miteinander vergleichen. 

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Im Edertal bei Ederbringhausen: Die RB42 auf dem Weg nach Korbach

Als 2015 die 31 Kilometer lange Bahnstrecke wieder durchgehend im täglichen Bahnverkehr reaktiviert wurde, hatte man eine lang klaffende Lücke geschlossen. Die Kleinstädte Frankenberg und Korbach wurden wieder miteinander verbunden, wobei zuvor beide Endstationen für Züge waren. Zugleich bekam der Nationalpark Kellerwald – Edersee eine Bahnanbindung und viele kleinere Dörfer einen attraktiven Nahverkehr zu den benachbarten Städten. Aber auch Kassel, Marburg, Gießen oder Frankfurt am Main rückten ein Stück näher. Das neue Angebot entdecken auch immer mehr Fahrgäste. Nach dem ersten Betriebsjahr wurden im Durchschnitt 440 Fahrgäste täglich gezählt, wobei in den Spitzenzeiten bereits über 700 Fahrgäste an einem Tag unterwegs sind. Der positive Trend setzt sich bis heute fort, sodass mit dem Fahrplanwechsel 2017 der Fahrplan deutlich ausgeweitet wurde. Der Zweistunden-Takt wurde nachmittags zu einem Stundentakt verdichtet. Für die kommenden Jahre sind weitere Ausweitungen des Angebots geplant.

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Blick vom Höhenwanderweg im Nationalpark auf die Bahnstrecke

Weitere Information zum Nationalpark Kellerwald-Edersee

„Ein weiter Weg zur Reaktivierung“

Seit dem 14. September 2015 rollen wieder täglich Züge durch das untere Edertal entlang des Nationalparks Kellerwald und dem malerischen Edersee zwischen Korbach und Frankenberg. Viele Jahre wurde diskutiert, ob sich eine Wiederbelebung der Regionalbahn auf dem Nordhessischen Land überhaupt lohnen könnte. Denn nachdem im Jahr 1987 der letzte Personenzug über die 31 Kilometer lange Strecke rollte, hatte man nicht mehr in den Erhalt der Bahnstrecke investiert. Einige wenige Güterzüge und Sonderfahrten wagten sich in den Folgejahren noch über die marode Strecke. Mehrere Jahre Stillstand folgten, in denen die Forderungen nach einer Reaktivierung immer weiter an Gestalt bekommen haben. Nachdem im Hessischen Landtag deine Wiederbelebung des täglichen Verkehrs beschlossen wurde, folgten ab 2006 Ausflugsfahrten an Sonn- und Feiertagen auf einem Teil der Strecke. Doch nur zwei Jahre später wurden diese Verkehre wieder eingestellt, da ein Gutachten das Projekt wirtschaftlich nicht sinnvoll sah. Trotzdem hatte der Hessische Landtag 2008 erneut eine Reaktivierung des täglichen Bahnverkehrs beschlossen, was aber auch in den folgenden Jahren nicht umgesetzt wurde.

Die Strecke bei Schmidtlotheim


Die Strecke bei Schmittlotheim

Ab 2011 wurde wieder ein regelmäßiger Ausflugsverkehr zwischen Frankenberg und Herzhausen angeboten, um die Wichtigkeit einer täglichen Bahnverbindung im Edertal zu zeigen. Nach einer zweiten Wirtschaftlichkeitsprüfung Ende 2011 kam Anfang 2012 der Durchbruch: Der Nordhessische Verkehrsverbund, die Deutsche Bahn und das Land Hessen einigten sich endgültig auf eine Reaktivierung des täglichen Bahnverkehrs auf der Gesamtstrecke Korbach – Frankenberg. Zwischen 2013 und 2015 wurden knapp 32 Millionen Euro in die Erneuerung und Modernisierung der Edertalbahn investiert. Pünktlich zum 14. September 2015 rollte dann der erste reguläre Personenzug der Eder entlang – mit einem großen Bahnfest in Korbach und mehreren Sonderfahrten zwischen Korbach und Frankenberg wurde am Wochenende zuvor die neue Edertalbahn sowie der modernisierte Bahnhof Korbach eingeweiht.

 

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