Bahnfahren zwischen Gotteszell und Viechtach ist wieder möglich

Sie fährt wieder!
Bahnfahren zwischen Gotteszell und Viechtach ist wieder möglich
Bericht: Christoph Fleissner, 05.10.2016

bahnsteig-gotteszell

Urlauber erwarten entspannt die Einfahrt des Zuges. Sie wollen an diesem warmen Septembermorgen einen Ausflug nach Viechtach machen. Dann ist es so weit: der grün-gelbe Triebwagen rollt auf Gleis 1 des Bahnhofs Gotteszell ein. Fast gleichzeitig trifft gleich daneben die Waldbahn nach Plattling ein. Reisende eilen auf dem Bahnsteig zwischen den beiden Zügen umher…

Es scheint fast so, als wäre es schon immer so gewesen. Dabei ist es kaum drei Wochen her, seitdem wieder reguläre Nahverkehrszüge auf der Bahnstrecke zwischen Gotteszell und Viechtach verkehren. Zumindest für die nächsten zwei Jahre werden die Triebwägen der „Waldbahn“ zum alltäglichen Anblick gehören. In diesem Zeitraum soll erprobt werden, ob auch genügend Fahrgäste die Bahn nutzen.
Nach einigen Minuten Aufenthalt in Gotteszell trifft der Zug der Linie „WBA1“ ein. Ein paar Fahrgäste eilen über den Bahnsteig, um weiter in Richtung Viechtach zu fahren. Kurz darauf geht es dann los. Langsam rollt der Triebwagen aus dem Bahnhof. Zwei laute Pfiffe kündigen an: „Die Waldbahn kommt!“. Noch etwas befremdlich blicken die Fahrer am Bahnübergang aus ihren Autos, während der Triebwagen weiterfährt. Im Zug sitzen Touristen, die interessiert aus dem Fenster die vorbeiziehende Landschaft beobachten. Zwei ältere Herren haben es sich hinter dem Mehrzweckbereich gemütlich gemacht. In Teisnach finden die Zugkreuzungen statt, denn nur so ist der angebotene Stundentakt auf der eingleisigen Strecke möglich. Im Gegenzug sitzen deutlich mehr Fahrgäste, die sich – wie man durch die Fenster erkennen kann – angeregt miteinander unterhalten.

zugfenster-regentalbahn

Alles wird für eine 100%ige Streckensicherheit unternommen

Ein Lokführer geht zielsicher zu einem grauen Kasten der Sicherungsanlage, die eigens für den Probebetrieb eingerichtet wurde. Zeitgleich steigt eine junge Familie zu und die Kinder „angeln“ sich sofort einen Fenstersitzplatz. Langsam geht es über den per Hand durch einen Posten gesicherten Bahnübergang am Kreisverkehr weiter. Eine technische Sicherung mit einer teuren Schrankenanlage ist momentan nicht vorgesehen, solange es noch Ungewissheit über die Fortsetzung des Bahnbetriebs in zwei Jahren gibt. Diesen „Basis-Charakter“ erkennt man auch an allen Haltestellen zwischen den Endbahnhöfen. Kurz hinter Teisnach schlängelt sich die Bahn in das enger werdende Regental. Nach einem kurzen Tunnel beginnt der landschaftlich schönste Abschnitt der gesamten Bahnstrecke. Neugierig blicken die Kinder aus dem Fenster und entdecken auch gleich eine Gruppe von Kanufahrern, die aus ihren Booten heraus dem Zug zuwinken. Es dauert nicht mehr lange, und der Zug fährt mit leichtem Rumpeln über die Weichen in den Bahnhof Viechtach ein. Fast alle Fahrgäste verlassen den Zug und gehen den Hang hinauf in Richtung Stadtmitte.

Bahnbetriebswerk der Regentalbahn

Durch ein geöffnetes Tor sieht man Arbeiter im „Blaumann“ um hier im seit Jahrzehnten ansässigen Bahnbetriebswerk der Regentalbahn Servicereperaturen für „Regioshuttles“ zu erledigen. Kurz darauf verlässt „unser“ Shuttle den Bahnhof wieder Richtung Gotteszell.

Schüler im Zug – wie wenn‘s noch nie anders gewesen wäre

Ein paar Stunden später, zur Mittagszeit, stehen zahlreiche Schüler am Bahnhofsgebäude in Viechtach und warten, von ihren Smartphones abgelenkt, auf den „Schülerzug“. Einige kommen zu Fuß angerannt, andere sitzen in einem Bus, der auf dem Werksgelände wartet. Der Schülerverkehr ist dabei ein Thema, das im Vorlauf der Reaktivierung zu vielen kontroversen Diskussionen geführt hat. Neue Verkehrsmöglichkeiten sind ganz natürlich erst einmal ungewohnt und bedürfen einer Umgewöhnungsphase aller Beteiligten. Die Schüler, so scheint es, haben sich bereits mit der Bahn angefreundet. „Schaut‘s amoi, da kummt unsa Zug!“ hört man aus der Menge. „Fahr‘n wir heut noch mit dem nach Deggendorf?“ Auch wenn sich für manche Schüler der Schulweg verlängert hat, können diese beispielsweise mit dem „Schüler-Freizeit-Ticket“ für 20 Euro pro Monat schnell und günstig nach der Schule überall im Waldbahnnetz unterwegs sein. An den soeben eingefahrenen Triebwagen aus Gotteszell werden zwei weitere angekuppelt. Während die Schüler den Zug stürmen, steht ein älterer Herr auf dem Bahnsteig und meint: „Gut so, Viechtach ist wieder per Schiene von überall erreichbar!“.

bahnhof-viechtach

Fahrgastzählungen werden noch länger zum Alltagsbild gehören
Eine „offiziell“ wirkende junge Frau zählt die Reisenden und macht sich Notizen. Mit knapp 100 Fahrgästen setzt sich das Shuttle in Bewegung, ein Großteil davon sind Schüler. Die freuen sich offensichtlich über den beginnenden Nachmittag und nutzen den Freiraum im Waggon ausgiebig. Die Bahnmitarbeiterin, die für die Zählung der Fahrgäste verantwortlich ist, ist mit dem Fahrgastaufkommen der letzten Tage durchaus zufrieden. „Vor allem am Wochenende war richtig was los hier. Die Züge waren oft bis zum letzten Platz besetzt“.

An jeder Haltestelle steigen nun ein paar Schüler aus. Erst in Teisnach warten wieder Ausflügler auf die grün-gelben Fahrzeuge. Auch zwei Reisende mit großen Koffern steigen zu. Der Gegenzug aus Gotteszell ist ebenfalls gut besetzt. Auch wenn es keine Menschenmassen sind, die Bahn wird angenommen. Ob jedoch die von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft geforderten 1000 Fahrgäste pro Tag letztendlich auch erreicht werden, steht noch in den Sternen. Sicher ist jedoch, dass die Bahn ein Gewinn für die gesamte Region ist. Vor allem Pendler, Senioren, Schüler und Studenten können nun einfacher Deggendorf, Passau oder Regensburg erreichen und das umweltfreundlich und stressfrei ohne Auto. Auch Touristen werden nun kostengünstig und bequem die Stadt Viechtach erkunden oder im Regental wandern.

Nach einem kurzen Stopp in Teisnach fährt die Triebwagengarnitur mit einem leichten Ruck los. Nebenan reiht sich Auto an Auto, die Fahrer warten ungeduldig, bis der Zug über den Bahnübergang den Ort verlassen hat.
Es dauert nicht mehr lange, und die Fahrt auf der 25km langen Bahnstrecke geht mit der Einfahrt in den Bahnhof Gotteszell zu Ende. Einige Fahrgäste blicken suchend nach ihrem Anschlusszug Richtung Deggendorf/Plattling.
Es scheint fast so, als wäre es schon immer so gewesen…

Dieser Beitrag wurde unter Fahrbetrieb veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar